Die neueren künstlerischen Arbeiten von Marian Kolenda sind beidhändig entstehende großformatige Zeichnungen. Lineaturen, die wie seismografische Aufzeichnungen komplexe Gedankenwelten kreieren und ihre assoziativen Spuren hinterlassen.
Die Linie als Ausdruck der Abstraktion des Gegenständlichen, die energetisch aus dem Unterbewussten heraufdrängt, sich verbindet in freien Assoziationsketten und dabei permanent im psychischen Spannungsfeld selektiert, findet in der beidhändigen Zeichenmethode ihre ausdrucksstarke Aufmerksamkeit.
Augenblicke aufzeichnen, Fragmente archivieren, Formen assoziieren, Denkvorgängen nachspüren, Bewusstseinsregionen entdecken und untersuchen, Assoziationsketten verfolgen, erfinden, sammeln.
Dabei überrascht die linke Hand durch ihre ungeübtere, unbeholfene Ungelenkheit, bereichert jedoch die in der Formulierung geschickter agierende rechte. Beide arbeiten mit- und gegeneinander - Signale des visuellen Gedächtnisses fließen in den Zeichenprozess mit ein. Grafische Gedankenflüsse, gelenkt durch Intuition und bewusste Entscheidung, formulieren seismografische Kompositionen.
Die Fotografien sind in den 80er Jahren als Pass- oder Bewerbungsfotos entstanden. Über die Jahre seither und ihren Zweck hinaus behaupten sie eine merkwürdige Kraft, die den Betrachter in ihren Bann zieht. Viel oder wenig liegt noch vor diesen Menschen, aber sie beharren auf ihrem Augenblick mit dem Gegenüber - wie der zu einem Knäuel aufgerollte Faden der Geschichte, bereit, im Labyrinth ihrer Identität zu verschwinden. Das Gesicht ist Schild, Schutz und Zeichen, der Faden ihrer Geschichte führt sie zuletzt wieder ans Licht.
Die Quadratur der Kamera, der Kreis des Kopfes zeigen die Oberfläche des Gesichts, schwarzweiss, negativ/ positiv, einer nach dem anderen, wie eine Geschichte, eine bestimmte Form, eine abweichende Form, eine Geschichte aus mehrdeutigen Zeichen, eine mehrdeutige Geschichte, eine eindeutige Geschichte aus mehrdeutigen Zeichen. Eine Geschichte von Menschen und eine vom Menschen. Zwei Geschichten. Erzählt wird von der Zeit, die nicht anhält. Jemand sitzt auf dem Dach und erzählt Geschichten, eine nach der anderen, eine Schnur von Zeichen in die Luft geschrieben morgens in der Früh‘.
Ein anderer, nur die Hand und der Stift - und das weisse Papier wie der Morgen, der Tag kann noch nicht beschrieben werden, beginnt zu zeichnen, der Tag beginnt. Die Arbeit, immer die gleiche am Anfang, aber weicht ab vom bekannten Weg, der Irrweg des Tages führt nicht, wir folgen nicht, liegen noch und schlafen oder lauschen hinaus. Oder lesen Zeichen, mehrdeutige Geschichten oder Gesichter, oder beides, oder lauschen oder schlafen. Die Zeit arbeitet an den Gesichtern, auch im Schlaf, ganz innen, im Traum, eindeutige Zeichen. Der Faden der Logik, zu einem Knäuel gerollt, auf dem Weg zu uns selbst.
Die Idee war, das ganz Äußere der Portraits dem ganz Inneren der Zeichnungen zur Seite und entgegen zu stellen. Die Zeichen auf dem Weg nach außen, eins nach dem anderen, wie eine Geschichte. Die Gesichter ohne ihre Geschichte, aber Zeichen aus dem Inneren, die nichts anderes erzählen als was sie selbst sind. Zeichen einer Geschichte, einer immer wieder erzählten, die sich folgen wie Zahlen von Anfang bis Ende, immer die gleiche Geschichte, aber immer anders erzählt. Die Geschichte von der Arbeit und vom Irrweg, von der Arbeit aus dem Irrweg, den Schnüren der Zeichen, aufgerollt und entwickelt, entwickelt und aufgerollt, die Geschichte der Menschen und was man von den Menschen erzählt.